– Investor überraschend abgesprungen –
– Fachkräftemangel, gestiegene Personal- und Energiekosten sowie erheblicher Sanierungsrückstau bei den Immobilien ermöglichen keinen kostendeckenden Betrieb –
– Bewohner, Angehörige und Betreuer zu Suche nach anderem Heimplatz aufgerufen, Betreiber unterstützt hierbei – Sofern kein Investor in letzter Minute einsteigt, droht aus insolvenzrechtlicher Sicht Schließung der Einrichtung und Kündigung aller Mitarbeitenden –
Eisenach, 16.01.2024. Nachdem im letzten Moment Ende Dezember 2023 der aussichtsreichste Investor unvermittelt abgesprungen ist, steht die Wilhelm Augusta Soziale Dienste gGmbH mit Verwaltungssitz in Eisenach vor dem Aus. Die Wilhelm Augusta Soziale Dienste betreibt das Seniorenzentrum Lutherhaus und Vogelshof, auch bekannt unter dem Namen ‚Augustastift‘, in Schleusingen und hatte Ende September 2023 beim zuständigen Amtsgericht in Meiningen einen Insolvenzantrag gestellt. „Die Absage des Investors ist für die Bewohnerinnen und Bewohner, deren Angehörige, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch für uns ein herber Rückschlag, mit dem wir nicht gerechnet haben“, sagt Tobias Reinhardt, Geschäftsführer der Betreiberin der Einrichtungen.
Intensive Investorensuche
Der vorläufige Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Marcello Di Stefano von der Kanzlei DiLigens Rechtsanwälte & Insolvenzverwalter, und die Geschäftsführung hatten zuvor den Geschäftsbetrieb der beiden Einrichtungen fortgeführt und sich umgehend um einen Investor bemüht. Denn schnell war klar, dass es ohne einen Erwerber, der neues Kapital investieren würde, nicht möglich sein wird, die beiden Einrichtungen weiter fortzuführen. Hierzu hatten die Geschäftsführung und der vorläufige Insolvenzverwalter einen M&A-Berater, die ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG aus Dresden, mit der Durchführung eines strukturierten Investorenprozesses beauftragt. Rund 100 potentielle Interessenten aus dem Branchenumfeld wurden im Herbst angeschrieben. Davon erhielten, nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsvereinbarung, insgesamt sechs Interessenten den Zugang zum Datenraum.
Absage nach weit fortgeschrittenen Verhandlungen
Nachdem andere potentielle Investoren abgesagt hatten, konzentrierten sich die Verhandlungen und Gespräche auf einen aussichtsreichen Investor. Die Gespräche mit diesem Investor waren weit fortgeschritten, die Bedingungen ausverhandelt. Ende Dezember 2023 sollte der bereits fertig ausformulierte Kaufvertrag unterschrieben werden. „Als dann unvermittelt kurz vor Jahresende die Absage kam, war das für uns alle ein Schock. Natürlich tun wir derzeit alles, um trotz der schwierigen Situation kurzfristig eine Fortführungslösung auf die Beine zu stellen, aber wenn uns ein Abschluss nicht mehr gelingen sollte, droht der Einrichtung die Schließung, da uns die finanziellen Mittel für eine weitere Fortführung des Geschäftsbetriebs leider schlicht fehlen“, sagt der vorläufige Insolvenzverwalter Marcello Di Stefano.
Hoffnung bis zuletzt
Nachdem der zuvor aussichtsreichste Interessent abgesprungen war, haben sich der vorläufige Insolvenzverwalter und sein Team umgehend intensiv um andere Interessenten bemüht. Derzeit gibt es noch zwei mögliche Übernahmeinteressenten, welche aber erst spät in Erscheinung getreten sind, weshalb die verbleibende Zeit zur Realisierung einer Übernahme angesichts der gegebenen wirtschaftlichen Zwänge äußerst knapp ist.
Schwierige Marktlage für Senioren- und Pflegeheime
Derzeit hat nicht nur das Seniorenzentrum ‚Augustastift‘, sondern alle Betreiber von Senioren- und Pflegeheimen mit außerordentlich schwierigen Marktgegebenheiten zu kämpfen. Der eklatante Fachkräftemangel sowie gestiegene Personal- und Energiekosten stellen die Betreiber von Seniorenheimen vor große Herausforderungen. Weiter verstärkt werden die Probleme in diesem Fall durch notwendige Investitionen an den Gebäuden in erheblicher Höhe. So kann z. B. im Lutherhaus derzeit nur eine von drei Etagen belegt werden, wodurch ein kostendeckender Betrieb nicht möglich ist. Denn wenn die Auslastung zu gering ist, rutscht die Einrichtung schnell in die roten Zahlen.
Kündigungen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Wenn kurzfristig kein Investor gefunden wird und kein kostendeckender Geschäftsbetrieb mehr möglich ist, ist der Insolvenzverwalter aus insolvenzrechtlichen Gründen gezwungen, den Geschäftsbetrieb der beiden Einrichtungen kurzfristig einzustellen. Dies wird voraussichtlich unmittelbar nach der Eröffnung des Verfahrens der Fall sein, die am 01. Februar 2024 durch den Beschluss des Amtsgerichts Meinigen erfolgen wird. Die Folge wäre die Kündigung aller Wohn- und Betreuungsverträge der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Dienstverträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum nächstmöglichen Kündigungstermin. Letztlich müsste auch das Essen auf Rädern eingestellt werden.
Unterstützung bei der Suche nach Heimplatz
„In diesem Worst Case müssen wir damit rechnen, dass betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch von sich aus kündigen und der Geschäftsbetrieb noch bis Ende Februar 2024 zum Erliegen kommt, da eine verantwortungsvolle Betreuung ohne ausreichendes Personal nicht möglich sein wird“, sagt Geschäftsführer Reinhardt. Selbstverständlich werden die Heimaufsicht und die Geschäftsführung die Bewohnerinnen und Bewohner bei der Suche nach einem neuen Heimplatz unterstützen.